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Reform der beruflichen Vorsorge (BVG 21) – Interview mit Andri Silberschmidt

 

Andri SilberschmidtWarum wir dringend eine Reform der zweiten Säule brauchen, wo die Knackpunkte liegen und wie die aktuelle Reform gelingt hat uns FDP-Nationalrat Andri Silberschmidt im Interview mit Daniel Blatter, Key Account Manager der FCT-Gruppe, erläutert.

Herr Silberschmidt, warum brauchen wir so dringend eine Reform des BVG?

Der gesetzlich festgeschriebene Prozentsatz, zu dem das angesparte Rentenkapital umgewandelt wird (Umwandlungssatz), ist mit 6.8 Prozent zu hoch. Jemand, der jedes Jahr 6.8 Prozent seines Kapitals erhält, bezieht am Schluss viel mehr Geld, als er einbezahlt hat. Dieser Verlust beträgt pro Jahr kumuliert mehrere Milliarden Schweizer Franken und wird von der arbeitenden Bevölkerung solidarisch getragen. Die Reform des BVG hat zum Ziel, mit der Senkung des Umwandlungssatzes die ungewollte Umverteilung von Aktiv-Versicherten zu Rentnern zu reduzieren.

Das vom Arbeitgeberverband und den Gewerkschaften ausgearbeitete und vom Bundesrat unterstütze Reform-Modell wurde im August von der Sozialkommission des Nationalrats ausgebremst. Wie beurteilen Sie den neuen Vorschlag der Sozialkommission?

Der neue Vorschlag der Sozialkommission geht in die richtige Richtung. Es ist richtig, dass die Personen, die unmittelbar vor der Pensionierung stehen und von der Reform betroffen sind, eine Ausgleichszahlung (Rentenzuschlag) erhalten. Der Bundesrat wollte diesen Zuschlag aber allen Personen – unabhängig von ihrer Betroffenheit – auszahlen. Das geht zu weit und erinnert an das Giesskannenprinzip, das bei der Vorlage Altersvorsorge 2020 vom Volk erst kürzlich abgelehnt wurde.

Was sind die wichtigsten Punkte der Reform?

Die Senkung des Umwandlungssatzes von 6.8 Prozent auf 6.0 Prozent sowie die Rentenzuschläge für betroffene Personen bis 15 Jahre nach der Reform sind der Kern der Vorlage. Natürlich wollen wir aber auch die Situation für Teilzeit-Erwerbende verbessern, indem wir den Koordinationsabzug verkleinern. Das heisst, dass mehr vom Lohn im BVG versichert wird. Dies führt zu einer höheren Rente. Insbesondere Frauen werden von dieser Massnahme profitieren und eine bessere finanzielle Absicherung im Alter haben.

Wo sehen Sie Knackpunkte?

Die Gewerkschaften wollen eine Reform, die mehr Umverteilung mit sich bringt und haben sich daher stark für eine Finanzierung des Rentenzuschlags über eine Abgabe auf den AHV-Lohn eingesetzt. Das würde im BVG die Progression einführen, was systemfremd ist. Deshalb haben wir das abgelehnt und stattdessen eine Abgabe auf den BVG-pflichtigen Lohn vorgenommen (also eine Abgabe bis CHF 86'040).

Gibt es etwas, das Ihres Erachtens in der aktuellen BVG-Reform fehlt?

Ich finde es generell falsch, dass wir als Gesetzgeber die Leistungsseite (Umwandlungssatz) und die Beitragsseite (Altersgutschriften) regeln. So würde ich es begrüssen, wenn versicherungsmathematische Formeln wie der Umwandlungssatz nicht mehr im Gesetz festgeschrieben sind. Eine moderne Regulierung würde nur die Ziele aber nicht den Weg dorthin vorgeben (Liechtensteiner Modell).

Ist die Reform tatsächlich eine langfristige Lösung oder sind das alles nur Tropfen auf den heissen Stein?

Die Reform ist dringend notwendig zur Entlastung der arbeitenden Bevölkerung und den Anbietern von Lösungen im BVG vor allem für KMUs. Wenn die systemfremde Umverteilung nicht endlich markant reduziert wird, steigt das Risiko, dass es bald keine Anbieter mehr auf dem Markt für Lösungen im BVG geben wird.

Geht es uns in der Schweiz zu gut – verhindert der Wohlstand eine Reform?

Wohlstand darf nie ein Hinderungsgrund für eine Reform sein. Ich glaube einfach, dass die Politik den Druck aus der Branche noch zu wenig ernst nimmt und gerade die Gewerkschaften gar kein Interesse haben, dass die Fehler des Gesetzgebers der letzten Jahre korrigiert werden. Sie wollen das BVG langfristig abschaffen und in die AHV überführen.

Erachten Sie das Thema BVG als zu komplex, um von der Stimmbevölkerung richtig verstanden zu werden? Falls ja, welche Aufklärungsarbeiten wünschen Sie sich von Politik und BVG-Akteuren?

Die meisten Abstimmungsvorlagen sind komplex und müssen in wenigen Schlagwörtern zusammen- gefasst werden können. Ich denke, das sollte uns auch im BVG gelingen.

Wie beurteilen Sie die Chance, dass die BVG-Reform gelingt und sich nicht in die Reihe vorangehender gescheiterter BVG-Reformen eingliedert?

Die aktuelle Vorlage der Sozialkommission erachte ich als fair und ausgewogen. Ich hoffe nun, man packt im Verlauf der Beratungen nicht zu viele «Zückerchen» in die Vorlage, so dass diese zu überladen und damit absturzgefährdet wird…
 

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